Cholesterinsenkende Medikamente

Wenn die alleinige Umstellung auf eine gesunde Ernährung und eine aktivere Lebensweise (inkl. Gewichtsreduktion) sowie die Behandlung einer möglicherweise zugrundeliegenden Grunderkrankung nicht ausreichen, um die Cholesterinwerte nachhaltig zu verbessern, ist eine medikamentöse Therapie angezeigt. Die Palette von cholesterinsenkenden Wirkstoffen ist heutzutage sehr groß und kann an die individuellen Patientenbedürfnisse angepasst werden.

Statine

Simvastatin, Lovastatin, Atorvastatin, Pravastatin, Fluvastatin, Pitavastin und Rosuvastatin sind Medikamente aus der Gruppe der CSE-Hemmer (CSE = Cholesterin-Synthese-Enzym). Statine sind die in der Welt am häufigsten verschriebenen Medikamentengruppe. Bei zu hohen Cholesterinspiegeln sind sie der Standard, an denen sich jedes neue Medikament messen lassen muss. Statine blockieren die körpereigene Produktion von Cholesterin, dadurch nehmen die Zellen vermehrt LDL-Cholesterin (LDL-C) aus dem Blut auf. Sie reduzieren so im Blut das „schlechte“ LDL-Cholesterin, erhöhen das „gute“ HDL-Cholesterin (HDL-C) und senken damit nachweislich das Risiko für Herzinfarkte und weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Statine senken nicht nur das Cholesterin, sondern sie wirken auch entzündungshemmend und führen zu einer Stabilisierung von Gefäßablagerungen (Plaque-Stabilisatoren). Dadurch vermindert sich die Dicke der Verkalkung zwar nicht, aber durch die Stabilisierung der Oberfläche der Plaques wird die Gefahr von Abrissen der Gefäßablagerungen verringert. Solche Embolien sind nicht selten Ursachen für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Eine Analyse von insgesamt 19 Studien anhand eines Cochrane-Review konnte zeigen, dass eine Senkung des LDL-Cholesterins um 40 mg/dl das Risiko für Schlaganfall um 22% und für Herzinfarkt um 27% vermindert. Sogar das allgemeine Sterberisiko (Tod innerhalb der nächsten fünf Jahre, egal wodurch!) sinkt um 10%. Alleine das ist Argument genug, die Einnahme von Statinen zumindest in Erwägung zu ziehen.

Im Allgemeinen werden die Statine entgegen den negativen Berichten in den Massenmedien gut vertragen. Es konnte bewiesen werden, dass Statine keinesfalls - wie von der Laienpresse behauptet - das Risiko für Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer, Fettleber, Thrombosen oder Vorhofflimmern erhöht. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Muskelschmerzen, die bei etwa 5-10% der Patienten auftreten. Allerdings bekommen auch 10-15% der mit Placebo behandelten Patienten Muskelschmerzen, wenn sie glauben, sie werden mit Statinen behandelt. Manchmal gelingt es, durch einen Wechsel auf ein anderes Statin und/oder eine geringere Dosis sowie der Einnahme nur jeden zweiten oder dritten Tag die Statin-Myopathie in den Griff zu bekommen. Einer von 100.000 Patienten bekommt eine Rhabdomyolyse. Die Patienten haben massive Muskelschmerzen, im Labor ist in solchen Fällen das Muskelenzym CK (Creatininkinase) 10- bis 40-fach erhöht. Der CK-Wert sollte deshalb bei durch Statine ausgelösten Muskelschmerzen bestimmt werden. Um das Risiko für eine Rhabdomyolyse zu vermindern, sollten Patienten, die gleichzeitig Itraconazole, Ketocanazole, Erythromycin, Clacithromycin, Verapamil, Diltiazem, Amlodipin, Amiadorone oder Grapefruidsaft einnehmen (wird alles über das Cytochrom P450 3 A4 metabolisiert), nur mit Statinen behandelt werden, die von dieser Interferenz nicht betroffen sind. Dies sind Rovustatin, Pravastatin und Pitavastatin.

Statine können in 0,5-2% der Fälle die Leberwerte erhöhen. Eine 2-fache Erhöhung der Leberwerte gilt noch als tolerabel, da bisher in diesen Fällen kein wirklicher Leberschaden nachzuweisen war. Das Diabetesrisiko wird durch Statine minimal gesteigert. Das gesteigerte Risiko beträgt dabei relativ 9%, aber absolut nur 0,2%. Nach einer vierjährigen Behandlung mit Statinen bekommt einer von 255 Patienten einen Diabetes, den er ohne Statine nicht bekommen hätte. Dieses minimal erhöhte Risiko für Diabetes wird aber durch die oben beschriebene deutliche Risikosenkung für Herzinfarkt, Schlaganfall und die Verminderung der allgemeinen Sterblichkeit mehr als kompensiert. Bei den Laborkontrollen unter der Therapie mit Statinen sollten deshalb nicht nur die Cholesterinwerte, sondern weitere Parameter wie die Leberwerte und der Blutzucker kontrolliert werden.

Ezetimib

Unterstützend oder wenn Statine nicht vertragen werden, kann eine Therapie mit Ezetimib in Erwägung gezogen werden. Er hemmt die Verwertung des über die Nahrung zugeführten Cholesterins, es werden bis zu 50% weniger Cholesterin aus dem Dünndarm aufgenommen.

Da gleichzeitig aber leider die körpereigene Cholesterin-Produktion in der Leber angeregt wird, kommt es durch Ezetemib in der Summe letztendlich nur zu einer Senkung des Cholesterins um etwa 15 bis 20%. In der IMPROVE-IT-Studie konnte zusätzlich zu einem Statin gegebenes Ezetemib innerhalb eines Zeitraumes von 7 Jahren das LDL um zusätzlich 15-20% gesenkt werden kann. Auch das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall wurde geringer.   

Bempedoinsäure

Dieser Wirkstoff hemmt das ATP-Citrat-Lyase (ACL)-Enzym, welches an der Cholesterinsynthese in der Leber beteiligt ist. Die Hemmung geschieht dabei auf einer dem Statin-Zielmolekül vorgelagerten Stufe. Wenn Bempedoinsäure zusätzlich zu Statinen gegeben wird, kommt es zu einer zusätzlichen Reduktion des LDL um 28%. Das Kombinationspräparat Bempedoinsäure und Ezetimib führt zu einer zusätzlichen Senkung um 38%. Bempedosäure erhöht die Plasmakonzentrationen von Statinen, deshalb sollte die Statindosis entsprechend ihrer Wirkungsstärke reduziert werden, z.B. Simvastatin auf 20-40 mg, Atorvastatin auf 20-30 mg oder Rosuvastatin auf 10-20 mg.

PCSK9-Hemmer

Evolocumab (Handelsname: Repatha) und Alirocumab (Handelsname: Praluent) sind Antikörper, die der Patient sich alle 14 Tage mit einem Injektions-Pen unter die Haut spritzt. Bei diesen in 2015 und 2016 zugelassenen Wirkstoffen handelt es sich um sogenannte PCSK9 (Proproteinkonvertase Subtilisin/KexinTyp 9)-Hemmer.

Die PCSK9-Hemmer verhindern den Abbau von LDL-Rezeptoren in der Leberzelle. Die Rezeptoren bleiben frei und können erneut LDL-Cholesterin (LDL-C) binden. Auf diese Weise kann das Blut vom schädlichen LDL-C gereinigt werden. PCSK9-Hemmer können den LDL-Wert dabei um 60% senken. Diese neuen Medikamente sind aber mit jährlichen Therapiekosten von ca. 6.000 € sehr teuer.

Die Nebenwirkungen sind gering und selten. Es kann zu Gelenkschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege, Müdigkeit, Reaktionen an der Injektionsstelle und Kopfschmerzen kommen. Zur Langzeitsicherheit liegen allerdings noch keine endgültigen Daten vor. Da in Deutschland mit der jetzigen Standardtherapie (Statine und/oder Ezetemib) bisher weniger als die Hälfte der Hochrisikopatienten den angestrebten LDL-Zielbereich erreichen, setzen Experten große Hoffnung in dieses neue Wirkprinzip.

PSCK9-Hemmer und Statine ergänzen sich ideal in ihrer Wirkung, da Statine die Produktion des Cholesterins in der Leber bremsen und dadurch die LDL-Rezeptoren angeregt werden, Cholesterin aus dem Blut zu filtern. Unter der Therapie steigt aber leider die PCSK9-Konzentration. Dies erklärt, dass eine Verdopplung der Statindosis keine doppelt so große Wirkung auf den Cholesterinspiegel hat. Die gesteigerte PSCK9-Konzentration begrenzt die LDL-senkende Wirkung der Statine. PSCK9-Hemmer und Statine ergänzen sich somit ideal und man erzielt die beste Wirkung, wenn beide Medikamente gleichzeitig gegeben werden.

Zunächst war man sich nicht sicher, ob die gute Cholesterinsenkung durch PSCK9-Hemmer sich auch ebenso gut auf das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall auswirkt. Erfreulicherweise konnte das in 2017 aber bewiesen werden. Die FOURIER-Studie mit über 27.000 Patienten wurde im März 2017 beim Kongress der American College of Cardiology (ACC) und gleichzeitig im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht. Mit dem PCSK9-Antikörper Evolocumab konnte das LDL um 59% gesenkt werden. Dabei sank nach einem Jahr das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall um 19% und nach einer Beobachtungszeit von 3 Jahren sogar um 33%. Es ist davon auszugehen, dass bei zunehmender Länge der Therapie die Ergebnisse noch besser ausfallen werden. Die Verträglichkeit war insgesamt gut bis sehr gut.
Die Therapie hat dabei auch keine Auswirkungen auf die Denkfähigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt die eigens dafür ausgelegte EBBINGHAUS-Studie.

Da die Therapiekosten sehr hoch sind, werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen nur in Ausnahmefällen getragen. Die Privaten Krankenkassen dagegen erstatten die hohen Kosten bei entsprechender Indikation. Die Ärzte unserer Cholesterin-Sprechstunde für Privatpatienten haben mit den Privaten Krankenkassen und den Beihilfestellen in der Regel nur positive Erfahrungen hinsichtlich der Kostenübernahme dieser teuren, aber effektiven Therapie machen können.

Inclisiran

Trotz guter Verträglichkeit und gesicherter Wirkung auf die Vorsorge vor Herzinfarkt und Schlaganfall beenden die Patienten die Therapie mit Cholesterinsenkern oft selbstständig. Bei PCSK9-Hemmern ist die Abbruchrate nach einem Jahr 40%, bei Statinen 50% und bei der Kombination Statin/Ezetimib 60%.

Mit Inclisiran (Handelsname: Leqvio) ist seit 2021 ein Medikament zugelassen, das der Patient sich nur alle 6 Monate subkutan spritzen muss. Man erhofft sich durch diese nur 2x im Jahr notwendige Selbstinjektion eine geringere Abbruchrate. Das Cholesterin wird wie bei den PCSK9-Hemmern dabei um etwa 50 % gesenkt.

Inclisiran greift das Prinzip der siRNA (small interfering RNA) auf. Im Gegensatz zu den Antikörpern, die das Enzym PCSK9 hemmen, wird dabei schon die Synthese des Enzyms in der Leberzelle gehemmt. Es kann mit Statinen und Ezetemib kombiniert werden. Die wesentliche Nebenwirkung, die in etwa 10% auftritt, sind vorübergehende Beschwerden an der Einstichstelle.

Der Spritze kostet etwa 3.000 €. Die jährlichen Therapiekosten sind mit ca. 5.800 € etwa gleich hoch wie bei den PCSK9-Hemmern, die alle 14 Tage gespritzt werden müssen.

Fibrate

Bezafibrat und Fenofibrat vermindern zwar auch die LDL-Menge im Blut und erhöhen das HDL-Cholesterin, aber vor allem schränken sie die Triglycerid-Produktion in der Leber ein. Entsprechend sind Fibrate vor allem dann indiziert, wenn der Triglyceridspiegel gesenkt werden muss.

Weitere Cholesterinsenker

Es gibt es noch verschiedene weitere Arzneimittel, die cholesterinsenkend wirken. Hierzu gehören Nikotinsäurederivate und sogenannte Anionenaustauscher.

Pflanzliche Cholesterinsenker

Hochdosierte pflanzliche Medikamente auf Basis von Artischocken- oder Knoblauch-Extrakten können in begrenztem Maße cholesterinsenkend wirken. Auch Ballaststoffe wie Leinsamen und Flohsamen können unterstützend eingenommen werden.

Die sekundären Pflanzenstoffe Phytosterine werden in Margarinen oder Joghurtdrinks angereichert. Mit diesen Produkten kann der LDL-Wert um ca. 10% gesenkt werden.

Nahrungsergänzungen mit wasserlöslichen Fasern aus Hafer oder Gerste in einer Dosierung von mindestens 3 g pro Tag senken den Cholesterinspiegel. Omega-3-Fettsäuren wirken nur geringfügig auf den Cholesterinspiegel. Sie senken das LDL um ca. 5%, aber die Triglyceride um ca. 30%. Die Zitrusfrucht Bergamotte kann in einer Dosis von 500 mg ebenfalls den LDL-Wert senken. 

Roter Reis

Auf der Basis von rotem Reisschimmel hergestellte Präparate wirken durch das dort enthaltende Monacolin K, welches einem Statin (Lovastatin) entspricht. Deshalb gleichen sowohl die Wirkung als auch die Nebenwirkungen denen einer Therapie mit Statinen. Die Qualität der angebotenen Präparate aus rotem Reisschimmel variiert sehr stark. Eine Selbstmedikation ist wegen des Nebenwirkungsprofils des Monacolins nicht zu empfehlen. Die Einnahme von Roten Reisschimmel Präparaten sollte nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Behandlungserfolg sollte regelmäßig kontrolliert werden

Die Wahl der Medikamente und Dosierungen sollte auf Ihre individuellen Gegebenheiten ausgerichtet sein. Die Wirksamkeit der Medikamente, d.h. der Behandlungserfolg sollte regelmäßig kontrolliert werden. Ein besonderes Augenmerk sollte auf eventuelle auftretende Nebenwirkungen gelegt werden. Bei der Komplexität der medikamentösen Therapie von Fettstoffwechselstörungen empfiehlt es sich, Rat von Cholesterin-Experten mit einer Spezialsprechstunde einzuholen. 

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